Ärzte Praxis-Kauf

Praxiskauf: Wie Fehler beim Start in die Selbstständigkeit vermieden werden

„Drum prüfe, wer sich ewig bindet“, heißt es in Friedrich Schillers Lied von der Glocke. Und auch wenn der Klassiker damit nicht den Erwerb einer Praxis im Blick hatte, kann das Zitat für jeden Existenzgründer doch als Faustregel dienen. Denn wer eine Praxis erwirbt, ist zunächst wegen des hohen finanziellen Aufwands zumindest für einige Jahre gebunden. Daher sollte sich jeder Gründer, bevor er investiert, absolut sicher sein, dass der Weg in die berufliche Selbstständigkeit der richtige für ihn ist. Ist diese Überzeugung nicht vorhanden, sollte auf eine eigene Praxis verzichtet werden. Schließlich gibt es für angestellte Ärzte und Zahnärzte auch Karrierechancen. Wer jedoch auf eigenes Risiko mit den damit verbundenen überproportionalen Chancen selbständig sein will, kann so nach wie vor sein fachliches Können mit unternehmerischen Geschick zu einem erfolgreichen Projekt formen. Allerdings sollte beim Kauf einer Praxis darauf geachtet werden, dass keine Fehler gemacht werden, die womöglich viele Jahre nachwirken.

Kleine Checkliste für alle, die eine eigene Praxis erwerben wollen

  • Ist die berufliche Selbstständigkeit wirklich der richtige Weg? 
  • Ist die Entscheidung für eine Selbstständigkeit gefallen, muss noch geklärt werden, ob man den Weg allein gehen will oder mit Partnern.
  • Sind die ersten beiden Punkte geklärt, kann man sich auf die Suche nach einer übergabefähigen Praxis machen. Spezialisierte Berater und Praxisbörsen können hier Hilfe leisten.
  • Eine Finanzierung durch eine Bank geht nur mit einem Businessplan. Dieser sollte am besten mit Unterstützung eines Steuerberaters oder einem anderen Fachmann erstellt werden.
  • Grundsätzlich sollte man sich nicht blind auf die Hausbank verlassen, sondern auch andere Angebote einholen.
  • Grundsätzlich sollte darauf geachtet werden, dass alle Berater über ausreichend Branchenkenntnisse verfügen.
  • Die Finanzplanung und Bankgespräche sollten immer nur mit Hilfe eines Steuerberaters oder eines anderen spezialisierten Beraters angegangen werden.
  • Nicht zuletzt sollte ein guter Anwalt, der ebenfalls über Branchenkenntnisse verfügt, frühzeitig eingebunden werden. Wer sich dagegen blind auf Vertragsvorschläge des Abgebers verlässt, dürfte keinen guten Start in die Selbstständigkeit haben.

Einzelpraxis, Gemeinschaftspraxis oder Praxisgemeinschaft?

Die wichtigsten Praxismodelle sind die Einzelpraxis, die Gemeinschaftspraxis und die Praxisgemeinschaft. Was für den jeweiligen Gründer die richtige Lösung ist, muss dieser selbst für sich herausfinden. Ein bisschen Introspektion kann bei dieser Entscheidung weiterhelfen. Vereinfacht gesagt: Wer lieber allein ein gutes Buch liest oder gerne angeln geht, ist wohl eher für eine Einzelpraxis prädestiniert als ein klassischer Teamplayer, der zu einer der beiden anderen Lösungen tendieren dürfte. Natürlich ist es nicht so einfach, wie es dieses verkürzte Beispiel nahelegt. Aber anhand einer kleinen Liste lässt sich schnell erarbeiten, welche Richtung die wohl bessere ist. Legt man Wert auf kürzere Öffnungszeiten? Bevorzugt man eine Vertretung, die in der selben Praxis arbeitet. Oder kooperiert man lieber mit einem externen Vertretungsarzt? Möchte man fachlich auf sich allein gestellt sein? Bevorzugt man eine Aufgabenteilung in der Praxisleitung? Oder soll einem bloß niemand hineinreden? Anhand dieser und ähnlicher Fragen kann jeder erkunden, welcher Praxistyp der richtige ist.

Praxismodelle im Überblick:

  • Einzelpraxis:

    Der Praxisinhaber arbeitet eigenständig, muss auch allein die Finanzierung sicherstellen. Diese Tätigkeit ist von sehr großer fachlicher, organisatorischer und wirtschaftlicher Eigenständigkeit geprägt. Die Kosten für die Praxis, ihre Ausstattung und das Personal trägt der Inhaber allein.

  • Gemeinschaftspraxis:

    Gemeinschaftspraxen sind hierzulande die häufigste Form der sogenannten „Berufsausübungsgemeinschaften“ (BAG). In einer BAG schließen sich Mediziner zusammen, um gemeinsam Patienten zu behandeln. Dabei können die beteiligten Ärzte durchaus verschiedene fachliche Qualifikationen haben. Wichtige Merkmale einer Gemeinschaftspraxis sind eine gemeinsame Abrechnung, ein gemeinsamer Patientenstamm, die gemeinsame Nutzung von Räumlichkeiten, Personal und Geräten. Für eine solche BAG ist die Genehmigung des Zulassungsausschusses nötig.

  • Praxisgemeinschaft:

    Im Fall einer Praxisgemeinschaft nutzen mehrere Mediziner die selben Räumlichkeiten und teilen sich auch das Personal und Geräte. Ansonsten arbeiten sie aber voneinander unabhängig. Das bedeutet, dass die Ärzte ihren je eigenen Patientenstamm haben und auch getrennt abrechnen.

Übernahme oder Neugründung?

Der Markt für Praxen und Praxisanteile ist zersplittert und intransparent. Praktisch jede Bank und etliche andere Anbieter behaupten, sie hätten die einzig seligmachende Praxisbörse. Oft tragen diese versprechen nicht allzu weit. Was nicht heißen soll, dass Praxisbörsen ungeeignet seien. Vielfach haben sie schon abgebende Ärzte mit Nachfolgern in Kontakt bringen können. Da aber Börsen und Berater immer nur einen begrenzten Markteinblick haben, sollten sich Existenzgründer bei verschiedenen Anbietern umsehen. Das vergrößert die Auswahl in aller Regel beträchtlich. Besonders geeignet sind Anbieter, die nicht alleine arbeiten, sondern gut vernetzt sind. Solche Akteure können meist aufgrund ihrer Vernetzung einem Existenzgründer deutlich mehr Angebote unterbreiten, als es eine einzige Börse, ein singulärer Berater oder eine Bank kann.

Ist trotz aller Bemühungen keine abzugebende Praxis zu finden, bleibt immer noch der Weg für eine Neugründung frei. In solchen Fällen muss ein geeigneter Standort gefunden, eine Potentialanalyse vorgenommen und auch die Wettbewerbssituation sollte geprüft werden. Konkurrenzschutzklauseln sind oftmals unwirksam, es gibt jedoch auch Arbeitgeber, die ausgereifte Verträge haben und eine Gründung innerhalb eines bestimmten Radius wirtschaftlich untragbar machen. Daher sollte eine Neugründung nur mit fachlichem Beistand in Angriff genommen werden.

Der Businessplan

Es klingt ein bisschen banal, aber es ist entscheidend: Jedes wirtschaftliche Projekt sollte nur dann angegangen werden, wenn es eine begründete Erwartung gibt, dass sich das Vorhaben auch rechnet. Auf eine ungefähre Hoffnung, dass es irgendwie schon funktionieren wird, kann sich niemand verlassen. Deshalb ist ein Businessplan eine Notwendigkeit. Das Mindeste, was dieser enthalten sollte, ist eine Planung der Einnahmen und Ausgaben für die ersten Jahre. Anhand der dabei getroffenen Annahmen ist es für Kenner der Branche leicht erschließbar, ob ein Praxiskauf oder eine Neugründung erfolgversprechend ist. Zwar lässt sich die Zukunft nicht 100%ig sicher voraussagen, doch Prognosen, Hochrechnungen und datenbasierte Erwartungen eröffnen eine – wenn auch eingeschränkten – Blick in die Zukunft. Darüber hinaus zeugt ein Businessplan davon, dass sich ein Gründer Gedanken darüber gemacht hat, welches Einnahmenpotential seine Praxis hat. Welche Ausgaben zu erwarten sind und ob ein darüber hinaus gehender Finanzbedarf zu erwarten ist.

Branchenkenntnis ist notwendig

Das wirtschaftliche Know-how für eine gut abgesicherte Gründung oder einen finanziell nachhaltigen Kauf einer zukunftsfähigen Praxis haben ausgebildete Mediziner in aller Regel während ihrer Ausbildung nicht erhalten. Deshalb sollten Mediziner – im Prinzip so ähnlich wie ein Patient – bei so weitreichenden Entscheidungen, wie die Existenzgründung eine ist, den Rat von Experten für Gründungen suchen. Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Auf dem Markt tummeln sich sehr viele Praxisberater, Steuerberater und Rechtsanwälte. Viele von ihnen sind jedoch mit der Gesundheitsbranche nicht vertraut. Diese können aber gerade nicht die Beratung und Hilfestellung leisten, die Mediziner benötigen. Deshalb sollte immer darauf geachtet werden, dass Praxisberater, Steuerberater und Rechtsanwälte über entsprechende Branchenkenntnisse verfügen.

Bankgespräche auf Augenhöhe

grundsätzlich ist zu sagen, dass Ärzte gern gesehene Kunden bei Banken sind. Das hat nicht unbedingt altruistische gründe, schließlich müssen alle Kredithäuser – auch die, die speziell für die Gesundheitsbranche tätig sind – Geld verdienen. Daher ist es wichtig, am besten mit dem eigenen Steuerberater Bankgespräche zu führen. Erstens kann er eine Vorauswahl der in Frage kommenden Banken aufgrund der Erfahrung der Vergangenheit vornehmen. Zweitens spricht er eher die Sprache der Banker und drittens ist er aufgrund seiner Erfahrung in aller Regel verhandlungssicherer als ein Praxisgründer. Anders gesagt: Ohne einen Berater verhandeln die meisten Gründer nicht auf Augenhöhe mit Banken.

Vertragsvorschläge prüfen lassen

Solange alles gut läuft und keine Meinungsverschiedenheiten auftreten, braucht man keine Verträge. Doch darauf kann man sich nicht verlassen. Denn oft beginnen größere Spannungen mit Kleinigkeiten, die nicht berücksichtigt wurden. Was ein Praxisgründer in keinem Fall akzeptieren sollte, ist das Angebot des Abgebers einfach seinen Anwalt mit zu bezahlen, denn ein Vertrag reiche ja schließlich. Darauf sollte sich kein Existenzgründer einlassen, denn der betreffende Anwalt ist Parteivertreter. Er wird in so einer Konstellation immer einen Vertrag zu Gunsten seines langjährigen Kunden schreiben. Jeder Käufer sollte sich daher bei einem Praxiskauf, aber auch bei einer Neugründung die Hilfe eines branchenerfahrenen Rechtsanwalts sichern, um den Kaufvertrag aber auch Mietvertrag und etwaige andere Abmachungen juristisch prüfen zu lassen. Denn nur der Anwalt, den Sie beauftragen, vertritt auch Ihre Interessen.